Manfred Weylandt (Fluchtopfer)

(* 12. Juli 1942 in Berlin; † 14. Februar 1972)

Schwurgerichtsanklage 2 JS 26/90 – Fall 26 (Manfred Weylandt)

Seite 631 bis 634

Am 14. Februar 1972 versuchte der am 12. Juli 1942 geborene Manfred Weylandt gegen 23.30 Uhr flüchtend die Grenzsperranlagen nach Berlin (West) zu überwinden.

Er begab sich zur angegebenen Tatzeit in den Bereich der VEB Filter- und Vergaserwerke an der Schillingbrücke im Stadtbezirk Friedrichshain. Dort stieg er an einem Gitterzaun auf einen Schuppen und ließ sich von einem Heizungsrohr in die zu den Grenzsperranlagen gehörende Hundelaufanlage herab. Eine Reaktion des Wachhundes erfolgte nicht. Anschließend überwand er das Gelände bis zur Ufermauer und ließ sich in die Spree gleiten, um schwimmend das Westberliner Ufer zu erreichen.

Schillingbrücke mit Spreeblick Richtung Stadtmitte
Schillingbrücke, Blick nach Ostberlin-Mitte: Foto der Grenztruppen Nr. 0153-1084

Zu dieser Zeit versahen die Zeugen Karl-Heinz Winkler sowie Hans-Günter Kirchberg als Postenpaar Grenzdienst im Abschnitt der Schillingbrücke. Der Zeuge Winkler war als Postenführer eingesetzt.

Der Zeuge Kirchberg fungierte als Posten. Beide gehörten dem 4. Zug der Bootskompanie des Grenzregiments 35 an und hatten den Befehl, Fluchtversuche gegebenenfalls mit der Schußwaffe zu verhindern.

Gegen 23.30 Uhr bemerkten sie rechts von sich, wie Manfred Weylandt ca. 30 m entfernt vom Ufer in Richtung Westberliner Ufer schwamm. Als Weylandt auf entsprechende Halterufe nicht reagierte, schossen beide mit ihren Maschinenpistolen aus der Hüfte zielend auf den Flüchtenden. Der Zeuge Winkler gab dabei 3 Feuerstöße, der Zeuge Kirchberg 2 Feuerstöße ab.

Infolge der gezielten Schüsse erlitt Manfred Weylandt einen Kopfdurchschuß, versank im Wasser und ertrank.

Am 15. Februar 1972 wurde gegen 15.45 Uhr der Getötete durch Taucher der Pionierkompanie 26 ca. 250 m oberhalb Schillingbrücke aus der Spree geborgen.

Der Leichnam wurde Angehörigen des MfS übergeben. Später wurde er im Gerichtsmedizinischen Institut der Humboldt-Universität obduziert.

Die am 15. Februar 1972 erfolgte Leichenöffnung erbrachte u.a. folgende Befunde:

Todesursache

Ertrinken bei Kopfschuß.

Die Sektionsbefunde sprechen eindeutig für ein agonales Ertrinken nach Kopfdurchschuß.

Die Schußöffnung der linken Kopfseite ist als Einschuß, die der rechten Schläfe als Ausschuß charakterisiert. Da keine Nahschußzeichen nachweisbar sind, handelt es sich übereinstimmend zu den Angaben aus der Vorgeschichte

um einen Fernschuß. Die Schußrichtung verläuft von links hinten nach oben rechts vorn unten.

Die Sektion ergab keine weiteren Zeichen einer fremden äußeren Gewalteinwirkung, auch keine krankhaften Organveränderungen, die für den Todeseintritt mit verantwortlich gemacht werden könnten.“

Von der Abteilung für Sicherheitsfragen erhielt der Angeschuldigte Honecker Kenntnis über den Fluchtversuch mit tödlichem Ausgang.

Über den Fluchtvorfall und eine mögliche Todesfolge wurde der Angeschuldigte Keßler als Vertreter des Ministers für Nationale Verteidigung unterrichtet.

Nach dem Vorfall wurden die Zeugen Winkler und Kirchberg vom weiteren Grenzdienst in dieser Nacht befreit und zur Dienststelle befohlen, wo sie von Offizieren über den Vorfall vernommen wurden. Am 15. Februar 1972 wurden sie für ihr Verhalten ausgezeichnet und erhielten eine Medaille für hervorragende Verdienste sowie eine Geldprämie in Höhe von 150.- M.

Der Zeuge Winkler hat angegeben, der Schußwaffeneinsatz sei befehlsgemäß erfolgt. Bei der Vergatterung sei befohlen worden, Grenzdurchbrüche, auch unter Anwendung der Schußwaffe, zu verhindern. Dabei sei lediglich darauf aufmerksam gemacht worden, daß nicht auf Westberliner Gebiet zu schießen sei. Bei fluchtwilligen Personen habe es sich, so sei er geschult worden, um „Staatsfeinde, Verräter bzw. ähnliche Subjekte“ gehandelt.

Der Zeuge Kirchberg hat angegeben, ebenfalls entsprechend der Befehlslage geschossen zu haben. Es habe der Befehl bestanden, keine Grenzdurchbrüche zuzulassen und letztlich gezieltes Feuer zu geben. Flüchtende (sogenannte Grenzverletzer) seien ihm als ein Haufen von Verbrechern dargestellt worden.