Klaus Brüske (Fluchtopfer)

* 14. September 1938 – (†) 18. April 1962

Flucht-LKW von Klaus Brüske und seinen Mitflüchtlingen. Foto: © Ralf Gründer (05.12.2020)

Erst in der jüngeren Vergangenheit konnten ‚Tags‘ an der Mauer gefunden werden, die direkten Bezug auf die Ereignisse an der Mauer nahmen. Klaus Brüske versuchte, nachdem er sich Mut angetrunken hatte, mit zwei weiteren männlichen Personen die Grenzsperren am Übergang Heinrich-Heine-Straße mit einem mit Sand beladenen LKW zu durchbrechen. Zwei der 14 Schüsse, die ein Grenzpolizist auf den Flucht-Lkw abgab, trafen Klaus Brüske, allerdings ohne tödliche Verletzungen hervorzurufen. Beim Aufprall des LKWs im Westen auf eine Hauswand rutschte die Sandladung ins Führerhaus, in der der verletzte Klaus Brüske erstickte.

Die Westberliner Schutzpolizei notierte damals Folgendes:

„Am 18.4.62, gegen 01.05 Uhr, durchbrach am Grenzübergang Heinrich-Heine-Str., eine mit 3 männlichen Personen besetzter und mit Kies beladender Lastzug die Grenzsperren, worauf von der Grepo 2 MP-Salven und mehrere Einzelschüsse auf die Flüchtenden abgegeben wurden.

Der Lastzug prallte südlich des Moritzplatzes auf West-Berliner Gebiet gegen die Hauswand Prinzenstr. 34.

Der 24jährige Fahrer wurde mit tödlichen Schußverletzungen, der 29jährige Beifahrer mit einem Schultersteckschuß und eine weitere 20jährige männliche Person mit Prellungen von der Feuerwehr in das Urban-Krankenhaus eingeliefert. Die Flüchtlinge waren im SBS wohnhaft gewesen.

An der linken Fahrzeugtür wurde ein Einschuß festgestellt. Das Fahrzeug wurde durch den Zoll sichergestellt. Funkwagenstreifen, Verkehrsunfallkommando und Abt. I waren am Ort.“

Quelle: Polizeihistorische Sammlung, Ereignismeldungen, Berlin, den 18. April 1962, Seite 2

Erst nach der Vereingung beider deutscher Staaten nahm die Staatsanwaltschaft diesen Fall der Schusswaffenwendung durch sowjetzonale Grenzer auf und stellte folgendes fest:

Schwurgerichtsanklage 2 JS 26/90 Fall 2 (Klaus Brueske)

Am 18. April 1962 flüchteten gegen 01.00 Uhr der am 14. September 1938 geborene Kraftfahrer Klaus Brueske, der am 22. August 1943 geborene Fleischer Lothar M. und der am 4. Oktober 1942 geborene Transportarbeiter Peter G. vom Ostteil der Stadt mit einem LKW nach Berlin (West). Die Ladefläche hatten sie zum Schutz gegen Geschosse mit Sand beladen.

Als sie mit dem von Klaus Brueske gesteuerten Fahrzeug die Sperranlagen in der Heinrich-Heine-Straße passierten und den Schlagbaum durchbrachen, eröffneten die dort eingesetzten Grenzposten gezieltes Feuer.

Ca. 250 m von der Grenze entfernt prallte das Fahrzeug auf Westberliner Gebiet gegen eine Grundstücksmauer.

Bei Klaus Brueske, der durch drei Schüsse getroffen worden war, wurde nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus der Tod festgestellt.

Lothar M. wurde an der linken Schulter getroffen.

Bei der am 19. April 1962 durchgeführten Obduktion wurde festgestellt:

„I. Die Sektion des 23 Jahre alten Kraftfahrers Klaus Brueske erbrachte folgende Befunde:

zwei Durchschüsse durch den Nacken mit den Einschüssen an der linken Nackenseite,
zahlreiche kleine Splitterverletzungen der Haut an der linken Gesichts- und Halsseite,
ein Durchschuß durch die rechte Hand, …

größere Rißplatzwunde in der rechten Stirn-Scheitelgegend, …
frische Blutung in der hinteren Schädelgrube, unter der Spinnwebhaut des Kleinhirns und in der vierten Kammer, …
reichlich Sandanhaftungen im Gesicht und Sand in der Mundhöhle,
Verstopfung des Kehlkopfes mit grauschwarzem Sand, der auch zwei größere Kies-Steine enthält,
kleiner Sandpfropf im Luftröhrenast des rechten Lungenunterlappens,
akute Blähung in beiden Lungen,
flüssiges Blut im Herzen und in den großen Körpergefäßen,
Blutüberfüllung der Lungen.

II. Diese Befunde sprechen dafür, daß Klaus B. insgesamt drei Schußverletzungen erhalten hat, und zwar zwei quer durch den Nacken und eine durch die rechte Hand. Die Nackenschüsse hatten auch zu einer Blutung in die hintere Schädelgrube und den oberen Rückenmarkskanal geführt, waren aber nicht sofort tödlich. Die reichlichen Sandanhaftungen im Gesicht und die Einatmung größerer Sandmassen sprechen vielmehr dafür, daß Klaus Brueske, nachdem er durch die Schüsse verwundet worden war, mit dem Gesicht auf eine Sandmasse gefallen oder mit Sandmassen überschüttet worden ist und dabei erstickte.

III. Die relativ großen Ein- und Ausschüsse und die erheblichen Gewebszerreißungen im Verlauf der Schußkanäle können aus zwei Gründen entstanden sein:

a) es kann sich um relative Nahschüsse aus einer weittragenden Waffe gehandelt haben;
b) die Geschosse können beim Durchschlagen des Fensters oder der Wand der Fahrerkabine beschädigt worden sein, so daß sie dann im Körper des Verstorbenen eine sogen. Dum-Dum-Wirkung hervorriefen. In der durchschossenen Nackenmuskulatur wurden zwei kleine Metallsplitter gefunden, die von einem Geschoßmantel herrühren können.“

Quelle: Schwurgerichtsanklage 2 JS 26/90, Seite 582 – 584

Weitere Darstellungen auf der Westseite der East Side Gallery nehmen Bezug auf tatsächliche Ereignisse an der Mauer und werden in der Online-Ausstellung aufgenommen. Zu erwähnen sind zwei Fluchten mit extrem flachen Sportwagen, die die Sperren am Übergang Friedrich-Zimmer-Straße unterfuhren sowie eine erfolglose Flucht mit einem Ost-BVG-Bus, der unter starkem Beschuss in der engen Durchfahrt am Übergang Invalidenstraße in der Mauer stecken blieb.