Udo Düllick (Fluchtopfer)

(* 3. August 1936 – † 5. Oktober 1961)

Die West-Berliner Schutzpolizei notierte in den Ereignismeldungen vom 6. und 8. Oktober 1961 folgendes:

Am 5.10.61, gegen 23.40 Uhr, versuchten in SO 36 zwei männliche Personen in Höhe der Bevernstraße durch die Spree zu schwimmen und West-Berliner Gebiet zu erreichen. Der Versuch wurde von der Vopo entdeckt, die sofort nach Aufhellung des Gebietes durch Leuchtmunition das Feuer auf die Flüchtenden von der Oberbaumbrücke her eröffnete. Außerdem wurden die Personen von zwei herangekommenen Vopo-Booten beschossen. Während ein Flüchtling nach Erreichen der Flußmitte, von einer MB-Garbe getroffen, unterging, ertrank der andere kurz vor der Westberliner Uferböschung. Das gesamte Flußbett der Spree gehört hier zum SBS. Nach einstündiger Suche konnte die vor dem Westberliner Ufer ertrunkene Person durch die Westberliner Feuerwehr geborgen und im das Urban-Krankenhaus übergeführt werden. Der Tod erfolgte vermutlich durch Ertrinken. Schuß- oder andere Verletzungen konnten bei ihr nicht festgestellt werden. Eine Identifizierung war bisher nicht möglich.

Fluchtskizze zu Udo Düllick. Quelle: Polizeihistorische Sammlung Berlin

Am 7.10.1961, gegen 16.30 – 16.40 Uhr, fand in Kreuzberg, Gröbenufer, Nähe Oberbaumbrücke – eine Trauerfeier für die am 5.10.1961 dort bei einem Fluchtversuch durch die Spree, ums Leben gekommenen zwei männlichen Personen statt, an der ca. 2500 Personen teilnahmen.

Gegen 19.00 Uhr wurde an der gleichen Stelle durch das Bezirksamt Kreuzberg ein 2,5 m hohes Holzkreuz errichtet.

Dieter Beilig schmückt das Holzkreuz für Udo Düllick. Standbild aus: „Eine Mauer klagt an“. © Berliner Mauerarchiv

Hier irrte die Polizei, denn die provisorische Gedenkstätte entstand durch die Initiative jugendlicher Westberliner, die, nachdem sie 400 Mark gesammelt hatten, an der Anlegestelle am Gröbenufer am Sonnabendnachmittag ein mit Stacheldraht umkleidetes Holzkreuz erichtet hatten. Der Aktivist Dieter Beilig, der maßgeblich an der Aktion beteiligt war, schrieb auf die nach Ostberlin weisende Kaimauer „Von KZ-Wächtern zu tode gehetzt“ und „Lieber tot als Sklave“.

Graffito „Lieber tot als Sklave“ von Dieter Beilig. Quelle: Akte Dieter Beilig, in: BStU, MfS 5040 – 65 – Bild 03

Das MfS dokumentierte die Aktivitäten von Dieter Beilig am Mahnkreuz und belegten damit ungewollt, dass Beilg einer der ersten ‚politischen‘ Graffiteure an der Mauer bzw. in dessen Umfeld war. Besonderes interessant ist, dass diese Äußerungen auch von Ostberlin aus sichtbar waren, denn die östliche Uferbebauung ist erst zu einem späteren Zeitpunkt abgerissen worden.

Nachträglich stellte sich heraus, dass es sich nur um einen Flüchtling gehandelt hatte und nachdem der Bruder von Udo Düllick, der im Westen lebte, den Leichnam als seinen Bruder identifiziert hatte, konnte dem SED-Opfer ein Name zugewiesen werden.

Literatur:

Niemand hat die Absicht … : Screenshot-Fotografie aus der Kameraarbeit von Herbert Ernst ; gedreht in den Jahren 1961 und 1962 im geteilten Berlin ; eine Dokumentation / von Ralf Gründer